Lindenstrasse Luzern
Description
Die Strasse im engen Tal der Reuss ist nur 200 Meter lang. Und doch hat in der kleinen unscheinbaren Strasse die ganze Welt Platz genommen. Hier leben Menschen aus 22 Nationen. Hier spielt das grosse, ewige Drama im Kleinen: Fremde suchen neue Territorien, die letzten Einheimischen verteidigen ihre Identität.
Die Lindenstrasse - die Welt als Quartierstasse. Es ist keine privilegierte Wohnlage, hier im Schatten des Zimmereggwaldes. Dafür sind die Mieten günstig. Vor Jahrzehnten fanden an der Lindenstrasse die ersten Zuwanderer, Italiener und Spanier, ein neues Zuhause. Heute wohnen in den alten Häusern Kriegsflüchtlinge aus Südosteuropa und aus Sri Lanka, Asylbewerber aus Afrika. Das Restaurant Gartenhaus, eines der zwei Wirtshäuser in der Strasse, ist zum Rückzugsgebiet der Schweizer geworden. Zwischen zwei Bordellen befindet sich der islamische Gebetsraum.
Der Coiffeursalon von Carmen ist die Nachrichtenbörse des Quartiers. Als die Coiffeuse vor 14 Jahren hierherkam, hat sie sich zuerst den Waffenschein für einen Pfefferspray besorgt. Da ist auch ein Kindergarten, wo längst keine Schweizer Kinder mehr heranwachsen. Und wenn es Nacht wird, leuchten nicht nur die roten, sündigen Lämpchen: Eingangs der Strasse strahlt eine Tankstelle so grell, dass es sogar den Anschein macht, als wären auch noch Ausserirdische in einem Ufo gelandet. «Es kommen nur noch Ausländer in diese Strasse», sagt Frau Rey, die resolute Schweizer Abwartsfrau von Nr. 46. Sie harrt aus, hofft, dass alles vielleicht doch wieder anders wird. Und versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist.
Ruedi Leuthold und Beat Bieri haben sich ein halbes Jahr lang in dieser Welt bewegt, haben Menschen getroffen und deren Geschichten gesammelt. Und einige davon tönten ganz anders, als man es erwartet hatte.
(Quelle: SF Schweizer Fernseher)