Zum Brunnen Moers
Description
Moers. Aus den Boxen kommt der Rolling Stones-Klassiker „Wild Horses” und man ist mittendrin in den 70ern. „Klar, das ist bestimmt früher auch gelaufen”, sagt Günter Mertes, der Chef der Gaststätte „Zum Brunnen” in Hülsdonk. Früher, das war Ende der 70er Jahre, genauer am 12. April 1979 als „Günni”, wie ihn hier alle nennen, mit einem Freund die Gaststätte neu eröffnete.
„Musik war damals unheimlich wichtig. In Moers gab es nur die 'Röhre' für junge Leute und ansonsten nur Opa-Kneipen mit Jukebox-Kram und hier haben die Leute alles gehört.” Jazz, Rock, Hauptsache keine Chartsmusik, schon „Bobby Brown” von Frank Zappa schien fast zu kommerziell. „Die Leute hatten damals offene Ohren, die haben alles aufgesogen.”
Eine richtig gute Zeit, alle waren gut drauf
Dass er den Sprung aus einer gesicherten Existenz als Elektrotechniker wagte, hat der 57-Jährige nie bereut. „Ich war ja ein richtiger Technik-lurch, aber mir fehlte das Reden über Musik, Filme, Theater. Bei Thyssen hatte ich niemanden.” Das wurde spätestens nach der Eröffnung des „Brunnens” anders. „Zu uns kamen Leute, denen es ähnlich ging. Es war eine richtig gute Zeit, alle waren gut drauf, fast schon euphorisch.”
Nach einem Jahr stieg sein Freund aus, er hatte andere Pläne. Günni machte weiter, mit neuen Plänen. „Der Brunnen sollte immer auch ein Ort für Kleinkunst sein. Es gab 'ne kleine Bühne und alle möglichen Moerser Bands sind hier aufgetreten.” Der Erfolg gab ihm recht. „Es war drinnen und draußen rappelvoll”, der „Brunnen” hatte wohl den Nerv der Zeit getroffen.
Die Hülsdonker Nachbarn gewöhnten sich langsam an die Gaststätte und ihre zahlreichen Gäste. Manch einer rümpfte wohl die Nase, doch richtig Stress gab es nie. „Wenn hier mal ein Geburtstag gefeiert wird, dann gehe ich rum, sage allen Bescheid.”
Die familiäre Atmosphäre macht's
Nur vor einigen Jahren gab es mal richtig Ärger als ein Nachbar über den Umweg Ordnungsamt Günter Mertes einen auswischen wollte. „Wenn es da kein Einlenken gegeben hätte, dann wäre das das Ende des Brunnens gewesen.” Schnee von gestern und die Hülsdonker haben ihren Frieden mit der Alternativ-Kneipe gemacht. Viele kommen auf ein Bier vorbei, verschiedene Kartenrunden haben feste Termine und im Sommer holt sich auch der ehemalige Bundesminister Jürgen Schmude sein Bier hier ab („Die Krüge hat er von mir.”) oder sitzt mit Bekannten draußen vor der Gaststätte an der Hülsdonker Straße.
„Ich glaube, dass der Brunnen so beliebt ist, weil die Atmosphäre familiär ist, wir haben keine Stress–Leute.” Manche wie Mannie oder Wollie waren schon bei der Eröffnung dabei. Und im September hat sich zum Beispiel der Abiturjahrgang von 1994 des Stursberg-Gymnasiums aus Neukirchen-Vluyn sich mit 80 Leuten angemeldet. „Die Leute kommen immer wieder. Deshalb habe ich auch an Heiligabend auf. Hier ist für viele der Anlaufpunkt.”
Seine Arbeit macht ihm nach 30 Jahren immer noch Spaß. Seine Devise: „Ehrlich sein, nie die Gäste verarschen.” Dass man als Wirt immer auch ein wenig Beichtvater ist, ist für ihn selbstverständlich. So mancher hat an seiner Theke schon Lebensbilanz gezogen und es waren nicht immer schöne Geschichten. Günnis Tipp an Jüngere: „Das ist kein Selbstläufer. Das ist Arbeit. Und man darf sich nie von den Bierverlagen abhängig machen. Dann ist man schneller am Ende, als man zu träumen gewagt hat.”