Raum.Weisz
Description
Das Neue Unabhängige Ausstellungsprojekt im Leipziger Osten "Der Erzähler würde eines Morgens aufwachen und entdecken, dass alle Gemälde weiß wären, nur die Rahmen wären noch da. Am zweiten Tag würde er aufwachen und fest stellen, dass alle Fotos verschwunden wären und sein Familienalbum nur noch aus leeren Blättern bestünde. Am Computer wären alle Fotos von der Festplatte gelöscht und die Google Bildersuche brächte keine Ergebnisse mehr. Am dritten Tag würde der Erzähler den Fernseher anschalten, der Ton ginge noch, aber der Bildschirm wäre blank. Am vierten Tag würden sich alle Filmleinwände leeren. Am fünften Tag würde er ein Buch öffnen und entsetzt fest stellen, dass nicht nur die Bilder verschwunden wären, sondern auch der Text verblasst, schließlich sind alle Buchstaben Bilder. Am sechsten Tag würde der Erzähler etwas noch schrecklicheres erleben: das Verschwinden akustischer Bilder, etwa des Klanges von Vögeln. Wörter würden in weißem, unterschiedslosem Rauschen untergehen. Am siebten Tag würde er aus dem Fenster schauen, doch zu seinem Grauen wäre das Fenster leer. Er hastet zur Tür und betrachtet entsetzt, wie die Formen der Bäume, Wolken, Berge und die gesamte Landschaft langsam verblassen. Seine ganze Vorstellungskraft, akustisch, visuell wie taktil, verschwindet in phosphoreszierender tauber Leere. Es gäbe keine Träume mehr. Und während die letzte Erinnerung aus seinem Bewusstsein schwindet, erinnert er sich vielleicht an eines von Robert Rauschenbergs White Paintings, oder an die weißen Wände einer Kunstgalerie, und wünscht sich, er könnte sich erinnern, wie sie aussahen." (W.J.T. Mitchell, Süddeutsche Zeitung 10.03.2012)